Weg mit dem Ballast!

Der neue Trend zum Tiny House

Als Kinder träumten wir von einem kleinen Häuschen, einer Hütte oder einem Bauwagen. Wer hat nicht die Zirkuskinder beneidet, die in rollenden Zirkuswägen wohnten und mit ihren Familien von Ort zu Ort fuhren. Dagegen konnte es den Erwachsenen beim Hausbau oft nicht groß genug sein. Riesige Häuser galten lange als das Statussymbol schlechthin. Doch das Blatt hat sich gewendet. Nicht zuletzt durch die Klimabewegung und die Notwenigkeit zu einem nachhaltigeren Lebensstil kommen Tiny Häuser immer mehr in Mode.  

Die Nachfrage ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Selbst ein hierzulande bekannter Kaffeeröster hat Tiny Houses in seinem Sortiment. Eine genaue Definition, was ein Tiny House eigentlich ist, gibt es jedoch nicht aber in der Regel hat es nicht mehr als 40 bis 45 Quadratmeter Wohnfläche. Was es so attraktiv macht? Zum einen entspricht es für viele dem heutigen Lebensgefühl: nachhaltig, autark und ohne überflüssigen Ballast. Zum anderen sind Tiny Häuser deutlich günstiger als herkömmliche Bauten. Je nach Größe und Ausstattung kann man sie schon für rund 30.000 Euro haben. Dabei ist es wichtig, dass so ein Minihaus gut geplant ist. Denn Platz zu verschenken gibt es nicht. Im Gegenteil, hier zählt jeder Zentimeter. Da staunt man dann auch nicht schlecht, wenn man die entwickelten Lösungen sieht: Betten, die tagsüber zum Sofa oder Stuhl werden, Kleiderschränke in Treppen eingebaut, Esstische, die hochgeklappt als Deko-Bild dienen und Platz schaffen oder der Küchenarbeitsblock, den man zur Seite rollen kann. Vielen Tiny House Besitzern ist es wichtig, nicht nur einfach und ohne zu viel Ballast zu leben, sie wollen auch unabhängig und ökologisch sein. Deshalb werden für die meisten Tiny House-Lösungen auch Photovoltaikanlagen für die Energie- und Regenwassersysteme für die Wasserversorgung angeboten.

Aber die Sehnsucht nach einem freieren Leben hat auch ihre Tücken. Wer glaubt, dass er sich einfach ein kleines Grundstück kaufen oder pachten und darauf ein Tiny House bauen kann, hat nämlich die Rechnung ohne die deutsche Bürokratie gemacht. Denn sobald das Haus mit der Erde verbunden ist, unterliegt es deutschem Baurecht. Und das ist nicht immer unkompliziert. Vor allem schreibt es genau vor, wo gebaut werden darf und wo nicht. Das gilt auch für Tiny Häuser. Und auch wer sein Tiny Haus auf Rollen baut, entgeht dem deutschen Behördenrecht nicht. Einerseits unterliegt der Bau dennoch dem deutschen Baurecht, zudem kommt in dem Fall aber noch das Straßenverkehrsrecht hinzu. Und das beschränkt die Größe des Hauses auf 2,55 Meter Breite und 4 Meter Höhe. Hat es Rollen, darf das Tiny House auch nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen, und es muss wie beinahe jedes andere Gefährt in Deutschland auch regelmäßig zum TÜV.

Zudem scheinen einige Kommunen noch überfordert mit dieser neuen Wohnform und reagieren unflexibel. So scheiterte vor kurzem die Konzeption einer Tiny House Siedlung daran, dass die Stadt den Nachweis von zwei PKW Stellplätzen je Tiny House forderte. Fast ein größerer Platzbedarf als die geplanten Häuser selbst … Ob der Trend vom minimalistischen Leben wirklich auch auf den Hausbau überspringt, wird sich zeigen. Noch sind es nur wenige, die das Leben im Minihaus auch in die Tat umsetzen. Eine der größten Siedlungen dieser Art steht übrigens in Mehlmeisel im Fichtelgebirge. Dort leben aktuell 31 Menschen. Wer möchte, kann zu jeder Jahreszeit probewohnen und ausprobieren, ob das Leben auf kleinem Raum tatsächlich so viel Freiheit bietet, wie manch einer sich verspricht.

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Erst fliegen die Fetzen – dann wird´s teuer